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Kober-Studie
1.Thema
2.Begriff Zwangsarbeiter
3.Zwangsarbeiterdiskussion
4.Metzingen im 3. Reich
5.Das
6.Leben als Zwangsarbeiter
7.Die Firma Hugo Boss
8.Positive Beispiele
9.Schlussbemerkung
10.Bibliografie
Timm-Studie
1.Inhaltsverzeichnis
2.Zusammenfassung
3.Einleitung
4.Hugo Boss
5.Firmengesch. vor 45
6.Firmengesch. nach 45
7.Entnazifizierung
8.Abbildungen
9.Literatur
10.Quellen
11.Recherechebericht
Impressum
Presse-Veröffentlichung
6. Das Leben als Zwangsarbeiter

In den Arbeitsbüchern  jedes Fremdarbeiters stand:

 

"Wie der deutsche, so dient auch der ausländische Arbeiter der Stirn und Faust durch seinen Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich, dem Neuaufbau Europas und dem Kampf um die lebenswichtigen Voraussetzungen für eine glückliche Zukunft und Wohlfahrt der Völker im europäischen Raum. Der ausländische Arbeiter muss sich dieser Aufgabe und Auszeichnung stets bewusst sein. Auf diesem Gedanken beruht sein Einsatz, seine Arbeitsleistung und seine persönliche Haltung".

Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz.

 

Jeder der 1346 ausländischen Arbeiter in Metzingen und Neuhausen dürfte diese Sätze als blanken Hohn verstanden haben. Trotzdem gab es große Unterschiede zwischen dem Leben eines Arbeiters aus Westeuropa und dem eines aus Osteuropa. Schuld daran ist das rassenideologische Motiv der Nationalsozialisten. In der Anschauung der Nazis waren die Franzosen und Niederländer zwar Kriegsgegner, sowjetische Arbeiter als “Untermenschen”  jedoch weitaus verachtenswerter.

 

 

Das Leben als “Westarbeiter”

 

Auskunft über das Leben als Westarbeiter gibt das Tagebuch des Holländers Harmen Atema. Es ist das einzig bekannte Tagebuch eines Fremdarbeiters. Als 22jähriger wurde Atema 1944 nach Hannover geschickt, er setzte sich jedoch in Richtung Süden ab. In der heimatlichen Werkstatt hing ein Plakat der Metzinger Firma Holder. Nach einer abenteuerlichen Fahrt erreichte Atema Metzingen, wo er von Firmenchef Max Holder aufgenommen wurde und in der Firma arbeiten konnte. Atema konnte sich relativ frei bewegen und hatte gute Kontakte zu anderen Zwangsarbeitern und der Metzinger Bevölkerung. Bürgermeister Dipper bestimmte ihn nach Kriegsende zum Unterhändler mit den französischen Besatzern. Außerdem vermittelte Atema zwischen den verschiedenen Zwangsarbeitergruppen und der Bevölkerung während der ersten Besatzungszeit.

Sein Tagebuch in friesischer Sprache wurde vom Metzinger Volksblatt und dem Arbeitskreis Stadtgeschichte aufgearbeitet und publiziert. Die nachfolgenden Aussagen stammen aus unveröffentlichtem Material.

 

Die Versorgung mit Lebensmitteln in den späten Kriegsjahren wurde immer schwieriger. Die Bevölkerung durfte “Westarbeiter”, im Gegensatz zu den Zwangsarbeitern aus Osteuropa, zu Nebentätigkeiten beschäftigen. Harmen Atema schreibt dazu am 19. März 1944: "Mittags bin ich mit Peter nach Neuhausen gelaufen, wir haben versucht, bei Bauern zu arbeiten, um Essen zu erhalten. Wir sind durch das ganze Dorf gelaufen, aber alle Bauern lehnten ab. Auf dem Weg zurück nach Metzingen sahen wir zwei Frauen auf dem Feld arbeiten. Wir sind dort hin und jawohl, wir konnten das Land mit einer Art Hacke bearbeiten. Peter und ich haben gearbeitet wie Sklaven und zur Freude der Frauen waren wir am Ende des Mittags fertig. Wir bekamen Essen, das war ein Brot, ein Apfel und 150 Gramm Fleischmarken. Wenn es noch weniger zu essen gibt, werden wir öfters in der Landwirtschaft arbeiten müssen."

 

Trotz aller Einschränkungen hatte Atema als Niederländer relativ viel Freiheiten, so durfte er zum Beispiel den Ort ohne Sondergenehmigung verlassen und konnte auf der Alb wandern gehen. Atema schreibt: "Sonntag war ich mit M. und ihrer Tante, die Frau eines Industriellen aus Duisburg, auf der Alb wandern. (...) Wir haben in St. Johann gegessen. (...) Am Abend sind M. und ich wieder mal ins Kino gegangen. Weil der Film länger ging als die Sperrzeit für Ausländer hat M. mich halb nach Hause gebracht".

 

In den letzten Kriegstagen, die Invasion durch die Amerikaner und Franzosen steht kurz bevor, läuft Atema in Richtung Reutlinger Straße, als ihm ein paar Verse für ein Gedicht einfallen. Um in Ruhe nachdenken zu können, geht er in einen Heuschuppen, an dem er gerade vorbei läuft und klettert auf den Boden. Im Heu spürt er Kleidungsstücke. “Und jawohl es war eine SA Uniform von feinstem Stoff. Die Farbe mag ich nicht”, schreibt Atema, “aber die Qualität ist prima. Auch ein Hemd und ein Blut-und-Ehre-Dolch war dabei. (...) Sollte diese Uniform vom Rath sein? Der Ortsgruppenleiter, der zu Peter und mir gesagt hat: “Ich schieße euch beide tot, dann meine Frau und Tochter und dann mich selbst, wenn wir den Krieg nicht gewinnen sollten. Aber wir sollten siegen, hört ihr, ihr ausländischen Schweine und dann sollt ihr verfluchten Ausländer Stuttgart und alle vernichteten Städte wieder aufbauen. Und wenn ihr dann noch lebt, könnt ihr heim gehen.””

 

Als aus allen Richtungen die Alliierten auf Metzingen zumarschieren, verlassen die hohen Parteimitglieder die Stadt. Die Verantwortung tragen jetzt Bürgermeister Dipper und Leutnant Siegel allein. Atema schreibt über Dipper: “In unseren Augen war der Bürgermeister menschlich und human, abgesehen von Wörtern die er in bestimmten Situationen sprechen musste”. Über Siegel berichtet er: “Das Zusammentreffen von gleichgesinnten Leuten findet statt im Keller beim Becker, Eugen. Peter und ich waren dort einmal eingeladen. An dem Sonntag Nachmittag saß Siegel in Zivil dort. Wir waren sehr erschrocken, als wir ihn sahen, aber er bedeutete, dass alles in Ordnung sei”.

 

 

Dass die Hilfe deutscher Bürger auch riskant sein konnte, zeigt der Fall der Maria M., die ihrem französischen Kriegsgefangenen Tabak zugesteckt hat.

Im Dritten Reich musste man ständig darauf gefasst sein, dass ein Zeitgenosse jeden möglichen  Regelverstoß  an die Obrigkeit meldete. Ein Bürger meldete Ortsgruppenleiter Rath im Oktober 1940, dass er beobachtet habe, wie Maria M. auf offener Straße einem Kriegsgefangenen Tabak zugesteckt habe. Rath verfolgte den Fall weiter und Maria M. musste sich schriftlich rechtfertigen. Ein Unteroffizier der Wachmannschaft habe ihr erlaubt, dem bei ihr beschäftigten Kriegsgefangenen Tabak zu geben, so Maria M.. Sie hatte auf der Straße ihren Neffen, der gerade den Kriegsgefangenen ins Lager zurück brachte, getroffen. Maria M. gab ihrem Neffen ein Päckchen Tabak und sagte ihm, dieses erst im Lager weiterzugeben. Der Junge hielt sich jedoch nicht daran und gab den Tabak schon auf der Straße weiter. Diese eigentlich harmlose Aktion erforderte eine umfangreiche Verteidigung. Maria M. musste beteuern, dass sie keine Beziehung zu dem Kriegsgefangene habe und ihm den Tabak zukommen ließ, weil er sehr fleißig und anständig sei. Dieser Vorfall hatte zur Folge, dass der Unteroffizier, der Maria M. erlaubte, dem Kriegsgefangene Tabak zu geben, umgehend versetzt wurde.

 

 

 

Das Leben als “Ostarbeiter”

 

Bisher gab es kaum Aussagen von ehemaligen Ostarbeitern. Die in diesem Kapitel veröffentlichten Erinnerungen ehemaliger Arbeiter geben Aufschluss über ihre Lebensbedingungen in Metzingen. Im nächsten Kapitel (7. Die Firma Hugo Boss) sind die Berichte der Zwangsarbeiter bei Boss nachzulesen.

 

 

Lidia Blaszczak, 75, Zwangsarbeiterin bei Weiblen und Rümmelin

 

An den genauen Tag kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es war im Juni 1942, als ich als 16jähriges Mädchen aus meiner Heimatstadt Zugujew (heute Ukraine) ohne meine Familie nach Metzingen deportiert wurde. Der Chef der Firma Weiblen und Rümmelin suchte sich aus unserem Transport neun junge Mädchen aus und brachte uns in seine Handschuhfabrik nach Metzingen. Ich hatte sehr große Angst. Zunächst wohnten wir in der Fabrik, später im Lager. Dort gab es stinkende Kohlrüben und saures Kraut, das wie Essig schmeckte. Geschlafen haben wir in Holzstockbetten mit Bettauflegern und Bettdecke, bestehend aus einem Leinentuch und einem Kopfkissen.

In der Firma musste ich Lederstücke trocknen, später kam ich in die Nähstube. Wir mussten acht Stunden am Tag arbeiten und an manchen Tagen danach noch im Garten des Firmenchefs. Dafür bekamen wir etwas Obst. Unsere Arbeit haben sie aber nicht bezahlt.

Wegen einer Magenkrankheit, unter der ich bis heute leide, fuhr ich zu einem Reutlinger Arzt. Auf der Rückfahrt nach Metzingen warfen mich die Deutschen aus dem Zug wegen dem Zeichen an meiner Kleidung.

Aber ich habe auch schöne Erinnerungen an Metzingen. Ich habe mich in einen Jungen verliebt, der ebenfalls als Zwangsarbeiter bei einem sehr netten Bauern war.

 

 

Josef Czapla, 75, Zwangsarbeiter auf einem Bauernhof

 

Ich wurde am 11.12.1925 in Wierzawice (in der Nähe zur heutigen ukrainischen Grenze) geboren. Am 8. Mai 1941 wurde ich von den Deutschen gezwungenermaßen allein nach Metzingen gebracht. Ich war damals 15 Jahre alt. In Metzingen musste ich auf einem Bauernhof arbeiten. Dort war ich auch zusammen mit den Bauern und ihren drei Kindern untergebracht, sie sind auf dem Bild zu sehen. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln war schwach und die hygienischen Bedingungen nicht gut. An meiner Kleidung musste ich das Zwangsarbeiter-Abzeichen tragen. Feste Arbeitszeiten gab es auf dem Hof nicht, ich musste von früh morgens bis spät abends auf dem Hof und den Feldern arbeiten. Der Bauer hat mich gegenüber deutschen Arbeitern benachteiligt. Wir aus dem Osten mussten mehr arbeiten und wurden schlechter behandelt.

Im Fall von Krankheiten durfte ich zu einem Arzt gehen und bei Luftangriffen konnte ich auch in den offiziellen Schutzraum mitgehen. Die Entschädigungsdebatte beurteile ich negativ, es wird zu viel darüber geredet und gibt zu wenig Geld. Ich würde gerne nach Metzingen kommen, aber ich bin sehr krank.

Die noch nicht identifizierte Metzinger Bauernfamilie, bei der Josef Czapla arbeiten musste.

 

 

Jan Duda, 76, Zwangsarbeiter bei der Firma Henning

 

Im September 1943 wurde ich ohne meine Familie aus meiner Heimatstadt Tomaszów Mazowiecki bei Lodz nach Metzingen gebracht. Ich musste in der Schmiedefabrik Henning arbeiten und war im Barackenlager untergebracht, wo die Nahrungsmittelversorgung sehr spärlich war. Zur Körperpflege hatten wir kaltes Wasser und Seife. Die anderen Polen, mit denen ich in der Baracke wohnte, waren die einzigen Menschen, mit denen ich näheren Kontakt hatte.

Bei der Firma Henning musste ich jeden Tag zehn Stunden zusammen mit einem deutschen Arbeiter an einem Gasofen arbeiten. Ich holte die erhitzten Eisenstücke aus dem Ofen heraus und legte sie dem deutschen Arbeiter unter den Hammer. Über das Verhalten der deutschen Kollegen kann ich nichts Schlechtes sagen, auch die Chefs waren keine Nazis. Bei Luftangriffen durften wir zumindest während der Arbeit auch in die offiziellen Schutzräume.

Die Entschädigung sehe ich positiv. Es ist gut, dass jemand an uns alte Leute gedacht hat und uns helfen wird. Ich war damals ein junger Mann und auf 40 Kilo abgemagert.

 

 

Josef Geslak, 78, Zwangsarbeiter auf dem Bauernhof Röhm

 

Josef Geslak wurde am 28.5.1923 in Wierzaurce-Lancut geboren. Er wurde während einer Razzia am 20.5.1941 von der Straße weg alleine nach Deutschland transportiert. In Metzingen musste er auf dem Bauerhof von Friedrich Röhm arbeiten, wo er auch untergebracht war. Die Versorgung mit Nahrung und die hygienischen Bedingungen beschreibt Geslak als gut. Er war der einzige Zwangsarbeiter auf dem Hof, allerdings benachteiligte ihn der Bauern gegenüber den Einheimischen und Josef Geslak musste von früh bis spät in die Nacht arbeiten. Privaten Kontakt zu andern Metzingern war für ihn nicht möglich. Auch er musste ein Abzeichen mit dem Buchstaben “P” tragen, das ihn als polnischen Zwangsarbeiter auswies. Erst am 25. September 1945 konnte er nach vier ein halb Jahren Zwangsarbeit nach Hause zurückkehren. Die Debatte um die Entschädigung der Zwangsarbeiter bezeichnet er als “fatal”, würde aber gerne noch einmal Metzingen besuchen.

 

 

Boleslaw Kosadko, 74, Zwangsarbeiter in der Fabrik Kruppe

 

Am 1. Juli 1927 wurde ich in Wolyn, eine Stadt die heute in der Ukraine liegt, geboren. Im Alter von 15 Jahren wurde ich bei einer Straßenrazzia in der Stadt Dubno aufgegriffen und zwangsweise nach Deutschland gebracht. In Metzingen musste ich bei der Firma “Kruppe” arbeiten (um welche Firma es sich dabei handelt, konnte noch nicht festgestellt werden). Untergebracht war ich im Ostarbeiterlager, wo die Versorgung mit Nahrungsmitteln sehr schlecht war und auch die hygienischen Bedingungen miserabel waren. Die Arbeitszeit in der Fabrik betrug acht Stunden am Tag, ich musste an der Drehbank Schrauben herstellen. Ob die Chefs in der Fabrik Nazis waren, weiß ich nicht, aber an ihren Uniformen waren Totenkopfzeichen. Sie haben uns immer gedroht mit einer Abschiebung ins Konzentrationslager Dachau. Sie haben mich behandelt wie der letzte Dreck, vielleicht weil ich der jüngste war.

An meiner Kleidung musste ich ein Zeichen mit der Aufschrift “Ausländer” tragen. Wir Ostarbeiter wurden schlimmer behandelt als die aus dem Westen. Im Fall von Krankheiten gab es keine Behandlung, sie hatten gar kein Interesse, uns als Kranke zu behandeln. Bei Luftangriffen mussten wir in den Baracken bleiben und durften nicht in die Schutzräume für die Deutschen.

Die Entschädigungsregelung halte ich für schlecht für die schwere Arbeit und die ganzen  Beleidigungen. Nach Metzingen würde ich trotzdem sehr gern kommen, nur meine Gesundheit ist nicht die beste und ich habe nicht genug Geld. Entschuldigung, dass ich nicht mehr schreibe, aber ich möchte mich nicht mehr an alles erinnern.

 

 

Krystyna Lemanska, 74, Zwangsarbeiterin bei Müller und Bauer

 

Am 29. Oktober 1941 kam ich nach Metzingen. Die Deutschen hatten mir in meiner Heimatstadt Lask den Ausweis weggenommen, mich in ein Lager in Lodz gebracht und dann nach Deutschland deportiert. Ich war erst 15 Jahre alt.

In Metzingen musste ich in der Blechdosenfabrik Müller und Bauer arbeiten. Zusammen mit vier Französinnen, einer Jugoslawin und drei Polinnen war ich in der Fabrikwohnung untergebracht.

Wir haben verschiedene Blechdosen hergestellt, zum Beispiel für Schuhcreme, zehn Stunden am Tag, manchmal auch Sonntags. Ich war Hilfsarbeiterin und die Arbeit war für mich sehr schwer. Der Chef, Herr Bauer, war kein Nazi, er hat sich immer Sorgen um uns gemacht und in der Fabrik wurden keine Unterschiede zwischen den Deutschen und uns gemacht. Bei Luftangriffen durften wir auch in die Schutzräume.

Trotzdem habe ich mir dort meine Gesundheit ruiniert. Meine Wirbelsäule ist kaputt. Ich hatte mein ganzes Leben Bewegungsprobleme und war oft in Kur, alles weil ich als 15jährige schwere Sachen heben musste. Ich bin traurig, dass sie sich erst nach 60 Jahren an uns erinnert haben.

 

 

Eine Verordnung des württembergischen Innenministers vom 21.8.1943 schränkte die Freiheiten der Ostarbeiter massiv ein. Schon im März 1940 schrieb der sogenannte Göhring-Erlass das Tragen eines Kennzeichens vor. "Dieses Kennzeichen besteht aus einem hochstehenden Rechteck von 7x7,7 cm und zeigt bei ein cm breiter blau weißer Umrandung auf blauem Grund das Kennwort "Ost" in 3,7 cm hohen weißen Buchstaben.” Dieses Zeichen musste auf der rechten Brust getragen werden, so die offizielle Anweisung.

Zusätzlich wurde nun auch der Besuch von kulturellen, kirchlichen oder geselligen Veranstaltungen verboten. Das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel, die über den Ortsbereich hinausgingen, war nicht gestattet. Nachts herrschte ein striktes Ausgehverbot. Im Sommer zwischen 21 und 5 Uhr und im Winter zwischen 20 und 6 Uhr durfte die Unterkunft nicht verlassen werden. Auch der Besuch von Gaststätten war verboten. Allenfalls war, nach einer polizeilichen Ausnahmegenehmigung, der Besuch einer einfachen Gaststätte erlaubt, aber nur bis eine halbe Stunde vor Beginn der Verdunklungszeit. Während dieser Zeit war dann allen deutschen “Volksgenossen” der Aufenthalt in diesem Gasthaus verboten. Auf sexuelle Beziehungen mit deutschen Frauen stand die Todesstrafe.

Weiter schrieb die Verordnung vor, dass die Arbeitgeber dafür verantwortlich waren, dass alle nicht durch den Arbeitsvorgang unvermeidbaren Berührungen mit deutschen Volksgenossen unterblieben. 150 Reichmark Strafe oder 14 Tage Haft wurden bei Bruch einer dieser Vorschriften angedroht.

Diese Regel wurde von offizieller Seite in Metzingen umgesetzt. Da Zwangsarbeiter keine öffentlichen Badeeinrichtungen besuchen durften, (in Metzingen gab es damals schon ein Freibad an der Erms), wurde beschlossen, dass das Bad nur an einem Abend in der Woche getrennt von der einheimischen Bevölkerung von Zwangsarbeitern besucht werden durfte.

Anfang der 40er Jahre hatten viele Häuser noch keine eigene Badegelegenheit. In der Hindenburgschule waren deshalb vier Badewannen eingerichtet, die ein öffentliches Baden ermöglichten. Weil auch immer mehr ausländische Zwangsarbeiter zum Baden in die Schule kamen, beschäftigte sich der Gemeinderat am 27. Januar 1943 mit den entstandenen "Unzuträglichkeiten" wie es im Protokoll heißt. Die Diskussion der Räte ergab: "Es könne einem deutschen Volksgenossen nicht zugemutet werden, eine Wanne, in der zuvor ein Pole oder Russe gebadet habe, zu benützen". Als Folge wurde beschlossen, dass eine Badewanne nur noch von Ausländern zu benutzen sei.

 

Die Zeitzeugin Ruth Schwenkel erinnert sich, dass russische und polnische Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, um einige Häuser in ihrer Nachbarschaft zu bauen. “Die sind sehr schlecht behandelt worden. Also an denen hing alles nur so runter und die haben hier auf den Misthäufen nach Äpfeln gesucht.” Ruth Schwenkel berichtet von einem Verwandten, der als Wachmann im Ostarbeiterlager dienstverpflichtet war und den Insassen immer wieder Lebensmittel zuschob, die er von Verwandten oder Freunden bekommen hatte. Auch bei Ruth Schwenkel arbeiteten einige Male zwei Ostarbeiter im Garten. Eine Anweisung des Landrats sah vor, dass die Arbeitsleistung der Ostarbeiter optimal ausgeschöpft werden solle. Deshalb mussten manche Arbeiter zusätzlich zu ihrer Arbeit in den Betrieben bei Privatleuten, Bauern oder der Stadt aushelfen. Schwenkel erzählt, dass sie sie gut behandelt  habe, sie habe ihnen etwas zu Essen gemacht und ihre Kleider geflickt.

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