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Kober-Studie
1.Thema
2.Begriff Zwangsarbeiter
3.Zwangsarbeiterdiskussion
4.Metzingen im 3. Reich
5.Das
6.Leben als Zwangsarbeiter
7.Die Firma Hugo Boss
8.Positive Beispiele
9.Schlussbemerkung
10.Bibliografie
Timm-Studie
1.Inhaltsverzeichnis
2.Zusammenfassung
3.Einleitung
4.Hugo Boss
5.Firmengesch. vor 45
6.Firmengesch. nach 45
7.Entnazifizierung
8.Abbildungen
9.Literatur
10.Quellen
11.Recherechebericht
Impressum
Presse-Veröffentlichung
8. Beispiele für offensiven Umgang mit der Geschichte

Das Volkswagenwerk

 

Geschichte

 

Den aus Amerika stammenden Gedanken der Massenmotorisierung wollten auch die Nazis für ihre Zwecke nützen. Sie beauftragten Ferdinand Porsche mit der Entwicklung eines Volkswagens. 1937 zog die Deutsche Arbeitsfront (DAF) den Auftrag zum Bau der Volkswagen Werke an sich. Wegen der Kriegsvorbereitungen war es schwierig, genug Arbeitskräfte zu bekommen, die DAF warb deshalb über 3ooo italienische Bauarbeiter an. Auch für den Beginn der Produktion wurden ausländische Arbeiter verpflichtet, die überwiegend aus den Niederlanden, aus Italien, Belgien und Dänemark kamen. Als Wanderarbeiter wurden sie gleich behandelt, versorgt und bezahlt wie die deutschen Beschäftigten.

Die ersten Zwangsarbeiterinnen kamen im Juni 1940 ins Werk: 3oo polnische Frauen, die in einem früheren Arbeitsdienstlager untergebracht wurden, 12 km vom Werk entfernt. Ab Februar 1941 arbeiteten weitere Zwangsbeschäftigte im Werk: 700, später über 1000 deutsche Militärstrafgefangene.

Neben der Produktion des "Kraft-durch-Freude"-Wagens trugen vor allem Großaufträge für die Rüstung zu einer Unternehmensentwicklung bei, die wegen der Arbeitskräfteknappheit zu einer Ausweitung der Zwangsarbeit führte. Bis zum April 1944 waren über 11000 der ca. 17000 Beschäftigten zur Zwangsarbeit verpflichtete Menschen. Der VW-Konzern war damit das Unternehmen, das im Deutschen Reich die meisten Zwangsarbeiter beschäftigte. Die Arbeiter stammten aus vielen verschiedenen Ländern. Dabei wurden bei der Behandlung und Versorgung, wie auch im gesamten Reichsgebiet und in Metzingen, große Unterschiede zwischen West- und Osteuropäern gemacht.

Die größte Ausländergruppe im Volkswagenwerk waren, wie in Metzingen auch, die sogenannten “Ostarbeiter”, die  seit 1942 aus den besetzten Landesteilen der Sowjetunion rekrutiert wurden, darunter auch Jugendliche, zahlreiche Schwangere und Familien mit Kleinkinder. Von den 4800 Ostarbeitern im Mai 1944 waren die Hälfte Frauen.

Auf die schlechte Konstitution einzelner Arbeiter wurde keine Rücksicht genommen, so wurden Schwangere nur bis Dezember 1942 in ihre Heimat abgeschoben, danach richtete das Volkswagenwerk im Lager eine Baracke für Entbindungen und die Säuglingsunterbringung ein. Schlecht ausgebildetes Pflegepersonal, Überfüllung und Krankheiten führten zum Tod von 365 Kindern.

Die französischen Westarbeiter, 1000 Kriegsgefangene, 15oo zwangsrekrutierte Zivilisten und 4oo freiwillige Jungarbeiter übten teilweise Schlüsselfunktionen aus und wurden nur in Einzelfällen schikaniert.

Auch schätzungsweise 5000 KZ-Häftlinge mussten für das Volkswagenwerk während des Krieges Zwangsarbeit leisten.

 

 

Aufarbeitung

 

Jahrelang blieb die Geschichte des nationalsozialistischen Musterbetriebs unaufgearbeitet. 1986 gab der Vorstand der Volkswagen AG nach einer Initiative des Betriebsrates eine unabhängige Forschungsarbeit in Auftrag, die die Geschichte des Volkswagenwerkes im Nationalsozialismus untersuchen und aufarbeiten sollte. Diese Forschungsarbeit wurde von einem wissenschaftlichen Team unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Mommsen erstellt und 1996 unter dem Titel "Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich" veröffentlicht.

Das Unternehmen entschloss sich zu einem offensiven Umgang mit seiner Vergangenheit und obwohl nach bisheriger Rechtsauffassung durch die Verbrechen der NS-Diktatur keine rechtlichen Ansprüche gegen das Volkswagenwerk bestehen, bekennt sich das Unternehmen eindeutig zu seiner historischen und politischen Verpflichtung.

Seit 1988 wurden in einem Zeitraum von zehn Jahren mehr als 25 Millionen Mark für humanitäre Projekte und gemeinnützige Bildungsarbeit zur Verfügung gestellt. Dabei handelt es sich um soziale Projekte in den Heimatländern ehemaliger Zwangsarbeiter, z.B. Schulen und Waisenhäuser, Krankenanstalten und Heime für Alte und Gebrechliche in Polen, der Ukraine und Weißrussland sowie in Israel. Das Volkswagenwerk unterstützt die Internationale Jugendbegegnungsstätte in der Nähe der Gedenkstätte Auschwitz und schickt Auszubildende des Unternehmens regelmäßig dort hin. Zum Veranstaltungsprogramm gehören Seminare und Vorträge sowie die Instandhaltung des Lagergeländes.

 

Mit Beginn der Zwangsarbeiter-Klagen in den USA, auch gegen den VW-Konzern im Sommer 1998 und der öffentlichen Diskussion fasste der Vorstand am 7.7.98 einen Grundsatzbeschluss, an Zwangsarbeiter, die 1944/45 im Volkswagenwerk arbeiteten, auch humanitäre Einzelhilfe zu leisten. Dieser Grundsatzbeschluss machte den VW-Konzern zum Vorreiter in Sachen Zwangsarbeiterentschädigung. Dazu wurde ein Hilfsfond gegründet. Diesem Fond wurde ein Budget von 20 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Ein Kuratorium von "namhaften Persönlichkeiten", unter Vorsitz von Simon Peres und den Mitgliedern Dr. Franz Vranitzky und Dr. Richard von Weizäcker, sollte den Umfang der individuellen Hilfe bestimmen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG Deutsche Treuhandgesellschaft bekam den Auftrag der administrativen Durchführung und Zahlungsabwicklung. Die KPMG informierte durch Zeitungsanzeigen in 22 Heimatländern ehemaliger Zwangsarbeiter über den Hilfsfond und konnte bis März 99 bereits 219 Auszahlungen vornehmen. Dabei erhielt jeder der ehemaligen Zwangsarbeiter 10.000 Mark.

Im Volkswagenwerk in Wolfsburg wurde 1991 ein Gedenkstein eingeweiht zur Erinnerung an das Schicksal der Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge, die im Zweiten Weltkrieg im Werk arbeiten mussten. 1999 wurde eine Erinnerungsstätte zur Geschichte der Zwangsarbeit auf dem Gelände der VW-Werke gebaut.

 

 

Die Stadt Ulm

 

Während des Zweiten Weltkrieges waren in Ulm etwa 10 000 Menschen als Zwangsarbeiter eingesetzt. Ungefähr 2000  kamen aus Polen und die meisten  von ihnen waren bei ihrer Ankunft noch jünger als 20 Jahre.

 

In Ulm gibt es das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg e.V., das von einem Verein getragen wird, der bereits 1948 von ehemaligen KZ-Häftlingen aus der Ulmer Region gegründet wurde und es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine Gedenkstätte in den ehemaligen Räumen des Konzentrationslagers “Oberer Kuhberg” zu erhalten. Außerdem engagiert sich das Dokumentationszentrum in der Geschichtsforschung.

 

1994 beschloss der Verein, die Geschichte der Zwangsarbeit in Ulm aufzuarbeiten. Das Forschungsprojekt ”Polnische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Region Ulm/Neu-Ulm, 1940-1945” begann. Wesentliches Ziel dieses Projekts war es, die Geschichte der Zwangsarbeit nicht nur aus deutschen Quellen zu rekonstruieren, sondern die Betroffenen selbst zu Wort kommen zu lassen.

Durch Anzeigen in polnischen Zeitungen und direktes Anschreiben von ehemaligen Zwangsarbeitern ließen sich 130 polnische Frauen und Männer dazu bewegen, ganz persönliche Berichte über ihr Leben als Zwangsarbeiter zu schreiben und Fotos und Dokumente aus dieser Zeit zur Verfügung zu stellen. Ungefähr die Hälfte der Berichte stammen von ehemaligen Telefunken-Zwangsarbeitern. 1996 wurden die Berichte in einem Buch veröffentlicht, das unter dem Titel “Schönes, schreckliches Ulm. 130 Berichte ehemaliger polnischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die in den Jahren 1940 bis 1945 in die Region Ulm/Neu-Ulm verschleppt worden waren” von Silvester Lechner herausgegeben wurde. 1999 erschien in Lodz das Buch in polnischer Sprache.

Viele persönliche Kontakte zwischen Deutschen und Polen waren im Rahmen des Projektes entstanden. Die meisten Polen, die sich mit Berichten beteiligt hatten, wünschten sich, noch einmal nach Ulm zu kommen. Daher organisierte der Trägerverein des DZOK mit Unterstützung vieler Privatpersonen und Organisationen für insgesamt 160 ehemalige Zwangsarbeiter einen fünftägigen Besuch in der Stadt Ulm.

Im Oktober 96 und im April 97 machten sich jeweils 80 polnische Frauen und Männer auf eine sogenannte zweite, dieses Mal freiwillige Reise nach Ulm. In der Folgezeit kam es neben weiteren gegenseitigen Besuchen zur Gründung einer “Gruppe Ulm” der Deutsch-polnischen Gesellschaft im Mai 97 sowie der Gründung von “Telefunken Lodz und Ulm”, wo sich ebenfalls 1997 ehemalige Telefunken-Zwangsarbeiter in Lodz zusammenschlossen. Zur Erinnerung an die Telefunken-Zwangsarbeiter wurden 1999 sowohl in Lodz als auch in Ulm Gedenktafeln errichtet.

 

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